Nachdem der niedersäschsische Innenminister Schünemann bereits in seiner Rede zur Ausstellungseröffnung „Verfassungsschutz gegen Extremismus – Demokratie schützen“ sehr deutlich seinen Umgang mit demokratischen Grundprinzipien zum Ausdruck gebracht hat, lässt er nun seinen verbalen Gedanken auch Taten folgen.
Gesetzentwurf zum Niedersächsischen Versammlungsrecht ist undemokratisch.
Im Rahmen der Föderalismusreform wurde die Hoheit über das Versammlungsrecht von Bundes- auf Landesebene übertragen – jedes Bundesland kann nun sein eigenes Versammlungsrecht erlassen.
Bayern hatte den Vorstoß gemacht, und als erstes Land ein neues Versammlungsgesetz auf den Weg gebracht. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Eilentscheidverfahren vom Februar 2009 jedoch wesentliche, das Versammlungsrecht einschränkende Regelungen des bayrischen Versammlungsgesetzes außer Kraft gesetzt. In der Hauptsache steht ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts hierzu noch aus. Nach Bayern versucht nun auch das Land Niedersachsen ein eigenes Versammlungsgesetz auf den Weg zu bringen. Mit dem vorliegenden Entwurf soll ein Gesetz verabschiedet werden, welches einen gezielten Angriff auf das demokratische Grundrecht der Versammlungsfreiheit darstellt.
Unser Hauptkritikpunkt bei vielen Regelungen ist ihre völlig willkürliche Auslegung, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Demonstration in eine Reihe mit Kriminellen stellt und die Planung und Durchführung von Demonstrationen unverhältnismäßig erschwert.
Aus Sicht der Landesregierung scheint es durchaus einleuchtend, hat sie doch selber zunehmende soziale Proteste zu befürchten. Diese sind Folge einer verfehlten Politik der Bundes- und Landesregierung in den letzten Jahren, die immer mehr Menschen in prekäre Lebensverhältnisse getrieben hat. Sollte das Landesparlament mehrheitlich für den Gesetzesentwurf votieren, steht der Landesregierung und den Behörden ein starkes Instrument zur Verfügung, mit dem Proteste willkürlich unterbunden werden können.
In einigen Auszügen wird die Problematik des Entwurfes bereits mehr als deutlich. So heißt es in § 6, welcher das Gebot der Waffenlosigkeit und Friedlichkeit regelt, dass es verboten sei, an einer öffentlichen oder nichtöffentlichen Versammlung in einer Art und Weise teilzunehmen, die dazu beitrage, dass die Versammlung oder ein Teil hiervon „nach dem äußeren Erscheinungsbild paramilitärisch geprägt wird“ oder „sonst den Eindruck von Gewaltbereitschaft vermittelt, wenn damit eine einschüchternde Wirkung verbunden ist“. Wer jedoch diesen Eindruck definiert oder was man unter Einschüchterung versteht lässt das Gesetz völlig offen. Dass Schützenausmärsche in Zukunft aufgrund ihres „paramilitärischen Erscheinungsbildes“ untersagt werden ist kaum anzunehmen.
Unklar ist auch § 6 Abs. 3, wonach die zuständige Behörde Personen die Teilnahme an einer Versammlung untersagen kann, „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen gegen ein Verbot […] verstoßen werden.“ Dieser Absatz setzt hellseherische Fähigkeiten voraus und öffnet somit dem willkürlichen Ausschluss von Personen bereits im Vorfeld einer Versammlung Tür und Tor.
Das in dem Gesetzentwurf deutlich werdende obrigkeitsstaatliche Denken, wird in § 10 nochmals deutlich. Die Regelung, dass die zuständigen Behörden die Mitteilung der persönlichen Daten der Ordnerinnen und Ordner von der Leiterin bzw. dem Leiter verlangen kann, wird nicht die Ausnahme sein, sondern die Regel werden. Zudem können Leiterinnen und Leiter sowie Ordnerinnen und Ordner abgelehnt werden, wenn sie „ungeeignet erscheinen“. Auch hier ist aufgrund der mangelhaften Formulierung dem Gutdünken der Behörden überlassen, wem sie die Eignung zusprechen und wem nicht.
Auch in § 13 „Schutzausrüstungs- und Vermummungsverbot“ werden die restriktiven Absichten der Landesregierung nochmals deutlich. Was als „Schutzausrüstung“ gilt wird nämlich nicht weiter definiert. Wollmützen, Regenschirme oder Daunenjacken könnten somit, je nach Belieben der Ordnungsbehörden, zum Ausschluss führen. Das Verbot schützende Arbeitskleidung zu tragen ist eine weiter gezielte Provokation, verhindert es doch das Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an Spontandemonstrationen teilnehmen können, was deren Einflussnahme bei Tarifauseinandersetzungen erheblich beeinträchtigt.
Wer gegen das Versammlungsrecht verstößt, hat zudem unverhältnismäßig hohe Geldstrafen zu erwarten. Hiervon verspricht man sich allem Anschein nach eine abschreckende Wirkung, kann man doch die wenigsten Anforderungen überhaupt selbst beeinflussen kann.
Wir sehen in dem Gesetzesentwurf zum Versammlungsrecht ein gezielten Angriff auf demokratische Grundrechte und somit letzten Endes auf die Demokratie selber und lehnen das Gesetz strikt ab.
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